30.5.2018 - Weltuntergang und 3. Etappe
Zubiri nach Pamplona.

Ich bin lange liegengeblieben heute, obwohl ich nicht mehr wirklich geschlafen habe. Um mich herum wuschelten alle Leute herum und packten ihre Sachen zusammen. Ich ging spät frühstücken. Der Rest Kaffee war bereits eiskalt. Dem Wetter nach zu urteilen säuft die Welt heute tatsächlich ab. Es schüttet wie aus Eimern. So langsm drängt sich mir der Verdacht auf, dass es schlauer gewesen wäre, mit einem Kanu auf die Reise zugehen. Ich frage in die Runde, ob jemand Sonnenmilch gegen ein Kape und ein paar Plastiktüten tauschen möchte, aber alle schweigen nur.
Ich bin nun der letzte in der Herberge. Alle anderen sind schon raus. Ich mache langsam, packe meine Sachen und richte mich auf 6-7 Stunden wandern ohne Pause mit nassen Eiern ein. Was solls. Ich habe meinen Rucksack komplett umorganisiert, da sich gestern das Wasser teilweise durchgearbeitet hatte. Die wichtigen Dinge nun also nach innen und besser abgeschottet. Der Rest nach außen. Ich ziehe die feuchten Sachen von gestern wieder an, wird ja eh gleich alles wieder nass. Dann creme ich mir die Füße ein, massiere die Achillessehnen durch, da diese etwas schmerzen. Gegen 9:15 Uhr scheint der Regen aufgehört zu haben. Es sieht zwar so aus, als fängt der gleich wieder an, aber für den Moment ist es trocken. Also packe ich den Rest zusammen  und mache mich auf den Weg nach Pamplona. Der Beschreibung nach erwarten mich 22 km ohne nenneswertes hoch und runter. Also die bisher leichteste Etappe. Ich habe etwas Muskelkater in den Waden und den Achillessehnen. Aber es geht. Ich bin der letzte und gehe bewusst langsam und mit kleinen Schritten. Versuche mich gerade zu halten und keine Eile an den Tag zu legen. Unterwegs sein ist das Ziel, nicht ankommen. Insbesondere eine Überreitzung oder Entzündung will ich nicht riskieren. Es geht sich gut an und ich gehe langsam aber konstant weiter. Ich mache mir so meine Gedanken zum Sinn des Lebens und erarbeite einige Theorien. Beinah unerwartet komme ich an eine Gaststätte in deren Biergarten sich viele Pilger versammelt haben. Es ist Zuriain auf der Hälfte des Weges nach Pamplona. Ich winke und gehe vorbei, um zu gucken was hinter dem Haus ist. Eigentlich würde ich gerne nur eine Flasche Wasser kaufen und weitergehen, würde ich doch den Großteil der deutlich vor mir gestarteten Pilger somit wieder hinter mir lassen. Inzwischen ist es heiter geworden und einige Sonnenstrahlen kommen durch und ich besinne mich auf das Motto: Unterwegs sein! Also kehre ich um, kaufe Wasser und lasse mich nieder. Nach einer Weile bricht Aufbruchstimmung ein und alle anderen verlassen die Gaststätte. Einige neue treffen ein. Die kleine Thai (oder ähnlich), die mit mir gestartet war und auch sehr langsam ging ist nach über eine halben Stunden noch nicht eingetroffen. Ich organisere meinen Rucksack etwas um und lege ein paar Sachen zum trocknen raus. Dann packe ich mein Laptop aus (Akku gestern voll aufgeladen) und beschließe ein oder zwei Stunden zu schreiben. Dazu muß ich mich sogar in den Schatten setzen, weil ich sonst auf dem Display nichts sehen kann. Die kleine Thai trifft ein, geht aber vorbei. Ich beginne ein neues Dokument, da mir meine Gedanken zum Sinn des Lebens gefallen haben und ich diese nun niederschreiben und ausarbeiten möchte. Das war neben diesem Tagebuch auch ein Plan für diesen Weg. Weitere Pläne für später sind die Ausarbeitung des Brettspiels "Richtwerk" und des Brettspiels Mogelpoly (inspiriert durch einen mir nahestehenden Zehnjährigen). Und natürlich mein Lebenslauf, soweit ich mich ohne Unterlagen daran erinnern kann. Mal sehen, ob die sechs Wochen, die vor mir liegen, dazu reichen werden. Ich machen mich wieder auf den Weg. Die Bar hat inzwischen geschlossen, offenbar rechnet man heute nicht mehr mit weiteren Pilgern.
Ich trotte so vor mich hin und frage mich, warum man im Leben eigentlich soviel lernen muß. Würde es nicht reichen, wenn jeder nur eine Sache lernt, und die dafür richtig und gut? Könnte das nicht bedeuten, dass es weniger Halbweisheiten und mehr Effizienz auf allen Gebieten gäbe? Ja vermutlich. Wäre aber vermutlich für die jeweils einzelne Person ziemlich langweilig. Obwohl: wenn ich mir die Arbeitsbereiche des Durchschnittsmenschen und die dazu passende eingefahrene Lebensweise ansehen, dann würde sich für viele gar nichts ändern. Dann muß ich an den Witz denken, bei dem zwei städtische Bedineste auf einer Landstraße arbeiten. Der eine gräbt ein Loch, der andere kommt ein paar Meter weiter nach und schüttet das Loch wieder zu und als ein neugierieger Passant fragt, was die da machen, so teilt der mit, dass sie eine Allee pflanzen, jedoch der Dritte Mann, der die Bäume einsetzt krank ist....

Nun im Lernen war ich immer nur dann gut, wenn es mich interessiert hat oder von Bedeutung für mich war. Einfach so etwas lernen, wie z.B: Latein, das lag mir nicht. Da halte ich es lieber wie Pippi Langstrumpf. Ich mach mir die Welt halt so, wie sie mir gefällt!

An einer Wegkreuzung kommt aus einer anderen Richtung eine junge Spanierin - Narja oder so. Wir gehen ein Stück zusammen. Sie ist nett und niedlich, aber noch langsamer als ich. Hat was am Knie. Das Wetter ist gut und trocken, 14 Grad. Ideal zum Wandern. Die Wolken über den Täler um uns herum sind auf Augenhöhe. Sieht mystisch aus. Kurz drauf treffen wir Mathilda. Eine Frohnatur um die Mitte Fünfzig. Sie schleppt sich auch schwer vorwärts. Sie und die Spanierin kennen sich schon und fallen sich um den Hals. Wenn die den Weg schafft, dann kann ich unmöglich abbrechen. Da das Kaffeekränzchen zu dauern scheint, verabschiede ich mich und gehe allein weiter. Die beiden Achillessehnen lassen mich wissen, dass sie es sind, die zukünftig entscheiden wie weit wir gehen. Ich versuche zu tricksen und gehe seitlich und wo möglich auch rückwärts. Sieht lustig aus, funktioniert aber. Die Leute haben Mitleid, sprechen mich an und geben mit viele Tipps und Ratschläge. Ich verspreche mehrfach, alles zu beherzigen und stapfe weiter.

Der Weg nach Pamplona ist grundsätzlich nicht schwer, aber die beiden Achillessehnen machen mir sehr zu schaffen und schmerzen. Ich beschließe, nach der Ankunft schnell schlafen zu gehen bzw. mich zumindest hinzulegen, damit sich Beine und Füße ausruhen können. Aber der Weg zieht sich. Villada und Burlada sind zwei große, direkt ineinander übergehenden Städte durch die ich durch muß. Nach mehreren Tagen Natur und Einsamkeit stresst diese Stadtatmosphäre zusätzlich. In einer Apotheke kaufe ich Voltaren und reibe mir die Achillessehnen ein. Dann humpel ich langsam weiter. Irgendwie habe ich wohl den Weg verloren. Jedenfalls habe ich schon lange keine Zeichen mehr gesehen. Ich folge den Autoschildern und entschließe mich schließlich, zurück zum Zentrum zu gehen und ein Zeichen zu suchen. Blöd, ausgerechnet heute noch so ein doofer Umweg. Endlich in Pamplona angekommen suche ich nach der Herberge Jesus & Maria und finde dort ein Bett. Diesmal darf ich unten schlafen und muß keine Leiter hoch. Die Unterkunft kostet 9,- ohne Dinner und Frühstück. Ich stelle meine Sachen ab, gucke mir die Küche an, gehe Duschen und dann in die Stadt um mir Essen und Trinken zu kaufen. Ich erwerbe für rund 18,- ein Baguett, 6 Eier, Mozarella, Schinken, Saft, Milch, Wasser, 4 Joghurt, kleine Tomaten, Oliven und zwei Bier. Zurück in der Herberge mache ich mir drei Eier in der Pfanne und koche die anderen drei für Morgen unterwegs zu essen. Salz und Eiweis ist neben viel Wasser für den Weg das wichitgste, so sagt man hier. Erschöpft lege ich mich in mein Bett. Es ist das untere in der Mitte von drei Bockbetten in einer Art offenem Abteil. Links von mir zwei Jungs. Rechts ein älterer Herr und eine junge Frau. Ein bunter BH baumelt am oberen Bett zum trocknen. Das verführt mich ein bisschen zum Träumen und so schlafe ich ein.













Zuriain - die Bar auf halben Weg. Dort war auch ein Huhn.
Ich habe es eingeladen, mitzukommen und mit mir zu Abend zu essen.
Aber es wollte nicht....


Manchmal wird der Weg zum See:


Kleine Betonpfeiler wie dieser weisen den Pilgern den Weg.