Los Arcos nach Logrono
Die bisher längste Etappe steht an und ich brauche unbedingt einen Namen für die inzwischen riesige Blase. Ich ärgere mich, dass ich die gestern Abend nicht aufgemacht habe, dann hätte die über Nacht vielleicht trocknen können. Es ist schon nach acht. Die Putzfrauen sind da und nörgeln, ich soll verschwinden. Ich raffe mein Zeug zusammen und gehe noch auf Socken in den Hof. Hinter mir wird die Türe abgeschlossen, damit ich ja nicht wieder reinkomme. Nichtmal kacken war ich. Ohje, dass könnte noch Ärger geben. Ich verstaue alles und ziehe die Schuhe an. Dann stelle ich fest, das geht so nicht. Also, rechten Schuh wieder aus, Nähnadel rausgekramt und Blase aufstechen. Alles egal, aber so komme ich nicht weiter. Hoffentlich entzündet sich das nicht. Steril ist anders und ich habe nichts zum Sterilisieren. Ich drücke alles aus der Blase raus. Danach Compeed und Pflaster und wieder rein in den Schuh. Besser aber nicht gut. Sonntag noch dazu. Also alles zu. Allenfalls der ADAC könnte mit dem Hubschrauber kommen.
Die ersten 7 km geht es dennoch gut. Kurz vor Sansol treffe ich Mathilda schon wieder. Sie weint wegen Fußproblemen. Wir machen gemeinsam Rast in Sansol. Ich kaufe neues Wasser, ein Croissant und gehe kacken. Gegenüber ist eine Apotheke die auf hat. Ich gehe rein und verlange nach einem Antiseptikum. Der Apotheker fragt alles mögliche. Ich verstehe nichts und will auch eingentlich keine Ratschläge sondern nur das Antiseptikum und weiter um in 1-2h im Rahmn meiner Mittagspause nach der Blase zu sehen, alles zu desinfizieren und neu zu verbinden. Aber der Apotheker bleibt hartnäckig, bietet mir einen Stuhl an will gucken. Widerwillig setze ich mich und bin nicht davon überzeugt, dass das eine gute Idee ist, weil die Compeeds, wenn sie einmal kleben, nicht mal eben wieder abgehen und meines ist ja gerade erstmal zwei Stunden drauf. Nun gut, immerhin hat er seinen Laden direkt am Camino, ist Apotheker und kennt sich vermtulich mit Blasen aus. Oha, das Ding ist schon wieder randvoll mit Wasser. Der Apotheker erklärt mir, dass das weh tuen wird und das nicht gut und nicht nötig ist. Aufstechen bringt nichts. Die wird sich wieder verschließen und neu füllen. Man muß eine Blase einschneiden, damit sich die Haut bewegen und auch abtrocknen kann. Außerdem kann sie sich nicht mehr befüllen. Ich zeige ihm mein Taschenmesser und er bietet an, das zu machen. Ok, dann mal los. Der Apotheker legt ein Stück Pappe auf den Boden, desinfiziert die Haut um die Blase herum und das Messer, versucht die prall gefüllte Blase einzuschneiden, was ihm aber nicht gelingt. Hartnäckig das Biest. Er öffnet eine Packung Mulltücher und bedeutet mir, dass ich die kaufen muß. Na klar. Er packt die Blase erneut nun mit einem Mulltuch und schneidet beherzt rein. Geschafft. Nun kommt eine Tube Jod zu Einsatz. Ziehmliche Sauerei, kennt man ja. Dann trocknet er alles ab mit weiten Mulltüchern. Ich fummele ein neues großes Compeedpflaster aus dem Rucksack und er klebt es drauf. Dann holt er eine Rolle Leukoplast und erklärt, dass das nötig ist und besser klebt. Klar, kauf ich. Er öffnet die Rolle und verklebt das Compeed außenherum am Fuß. Fertig. Ich zieh den Socken an und den Schuh und merke schon beim Aufstehen, dass es nicht mehr ganz so schmerzt. Also war doch eine gute Idee, das mit dem Apotheker. Bestimmt hat der Herr Jakobus das organisiert. Die Rechnung: EUR 10,50 für Mull, Leukoplast und Jod. Die Operation war quasi gratis. Ich bedanke mich und packe alles ein. Eine junge Französin kommt rein und zeigt ihre rot fleckigen Füße. Der Apotheker erklärt etwas aber die beiden verstehen sich nicht so recht. Ich versuche etwas zu vermitten. Sie scheint scheu und etwas mistrauisch. Ich erkläre ihr, dass der es gut meint und sich wohl auskennt und etwas von einer offenbar allergischen Reaktion erzählt hat. Kurz drauf sind die beiden sich über die Diagnose und die Behandlung einig und ich kann gehen. Ich komme weiter gut vorwärts. Die Blase tut zwar etwas weh, stellt aber kein Problem mehr dar. Während ich mich von der Apotheke entferne beginne ich zu singen: "So simmer all hierhin jekumme. Mir spreche hük all die selbe Sproch. Mir han dadurch su vill jewonne. Mir sin wie mir sin. Mir Jecke am Ring. Dat ist jet wo mar stolz drupp sin." Bekommt in diesen Tagen irgendwie eine ganz andere Bedeutung.
Mittags komme ich durch Viana. Dort wird offenbar ausgelassen gefeiert. Die Straßen und Cafes sind voll. Es ist laut und es herrscht gute Stimmung. Ich kaufe mir etwas zu trinken. Essen habe ich noch genug. Ich verlasse die Stadt und mache am Stadtrand im Schatten eines alten Gebäudes Rast. Esse und trinke und lege mich eine Stunde hin. Es wird frisch und windig und es fängt an zu tröpfeln. Bis nach Los Arcos sind es noch 8 km. Ich packe zügig ein und mache mich auf den Weg. Es tröpfelt, aber der angesagte Regen bleibt aus. In Los Arcos angekommen bin ich stolz, nun meine erste Woche erfolgreich absolviert zu haben und die bisher längste Tagesstrecke, die mit 27km zugeich der längste Tagesmarsch eines Lebens war. Ich bereite mein Bett vor uns packe meine Sachen um. Auf das Duschen verzichte ich heute wegen der gut verklebten Blase. Frische Sachen habe ich noch. Aber ich habe seit zwei Tagen nichts geschrieben und möchte unbedingt meine Notizen niederschreiben, bevor ich die Erinnerungen nicht mehr zusammen bekommen. Ich setze mich also in die Küche und beginnen zu schreiben. Es gibt schnelles WLAN. Also kann ich E-Mails lesen und schreiben. Meine Prinzessin hat geschrieben, dass sie zurück nach Haan ziehen wird und dass sie die ganze Familie mitbringt. Ich freue mich sehr. Was für ein Tag! Ich besorge mir zwei Bier, verdrücke ein paar Tränchen und feiere still für mich. Um 21:45 mache ich Schluß und gehe schlafen.
Die Rechnung der Apotheke:

Störche gibt es hier viele:


So sehe ich mich den ganzen Tag vor mir:

