Najera nach Santo Domingo de la Calzada
... wo in der Kirche Hühner gehalten werden. Lustige Geschichte über Wahrheit und Gerechtigkeit und zwei Hähnchen. Muß man googeln.
Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell die anderen das Bett verlassen und raus sind und wie weitgehend geräuschlos das geht. Nun zugegeben, ich packe abends nicht für morgens. Kein Bock. Und ich habe Ohrstöpsel drin, so dass nicht ganz so viel mitbekomme. Dennoch geht es schnell. Sobald der erste Wecker geht und einige anfangen rumzukrosen, geht das Schlag auf Schlag und wenn ich das nächste mal blinzele sind nur noch wenige da, sortieren und packen. Ich gehe dann erstmal Zähne putzen und das Wetter checken, da in den Schlafräumen in der Regel keine Fenster sind. Dann anziehen, packen und kacken und dann raus. Das Wetter war, so muß ich inzwischen konstatieren, bisher super. Der erste Tag war Mist und die etzte Stunde des zweiten Tages. Sonst trocken, bewölkt manchmal Sonne. Perfekt eben. Jetzt sitze ich seit ein paar Minuten, also seit ca. 16:30 Uhr, in der Herberge in Calzada in der gemütlichen Küche mit riesigem Kamin, der sogar an war (nun ist wohl das Holz alle...), scheinbar von einem Kloster betrieben und es gewittert dolle. Ich bin schon seit 12:30 Uhr hier!!! Eigentlich erst Zeit für Mittag, aber ich habe mein Tagesziel bereits erreicht! Ich bin um 7:45 los, habe im Gehen gefrühstückt und habe ich mir unterwegs eine riesen Tafel Schokolade mit Mandeln geleistet (3,60 EUR) und bin einfach gelaufen. Die Zet verging wie im Fluge und ruck zuck war ich in Ciruena, was nur noch 4 km vom Ziel entfernt war. Ich hatte mich schon etwas gewundert, warum die Schmerzen in den Füßen und Beinen heute so früh einsetzen, aber ich war ja auch schon 16 km gelaufen in nur 3,75h. Da es anfing zu tröpfeln beschloss ich in Ciruena Mittag zu machen und den möglichen Schauer abzuwarten, hatte ich doch ohne Ende Zeit. Wegen mir könnte es nun mehrere Stunden regnen. Setze ich mich halt in eine Bar (Bar heißen hier die Cafes auf dem Weg!) und schreibe etwas. Während ich das so denke überlege ich weiter: wenn ich schon so früh am Tagesziel bin und wenn es da ein vernünftiges WIFI gibt, dann könnte ich meine Texte und Bilder auf meine Homepage hochladen und anfangen diese zu gestalten. Vielleicht wäre dann heute Abend schon etwas zu veröffentlichen dabei. Dazu würde ich mir im örtlichen Supermarkt eine Dose Hühnesuppe und eine Flasche Rotwein gönnen. Der Tag hat bisher incl. Schokolade nur rund 7,- gekostet. Zzgl. Rotwein und Suppe geschätzte 5,- und die Übernachtung vermutlich wieder 10,- bin ich immer noch unter 25,-. Passt also.
Ich komme kurz drauf an einem Golfpatz vorbeit und an einer Stadt, die Aussieht als wäre sie erst letztes Jahr von Paeschke Bau gebaut worden. Alles einheitliche Straßenzüge und Häuser. Aber komplett menschenleer. Jedes zweite Haus zu vermieten. Es war nicht zu erkennen, dass eines der Häuser bewohnt wäre. War ein bisschen unheimlich. Es gibt das neue und das alte Ciruena. Das neue ist vermutlich an Golfer zu Ferienzwecken verhökert oder, nachdem der Bauherr pleite war, von den Käufern nicht mehr nutzbar/bezahlbar gewesen. Das alte ist vermutlich wegen dem neuen nicht mehr bewohnt. Anyway, hier ist keiner. Und somit auch keine Bar am Wegesrand. Also was solls. Dann gehe ich eben die letzten 4 km auch noch und bin schon Mittags am Tagesziel. Gesagt getan. Es zog sich, aber gegen 12:30 Uhr war ich hier und checkte ein. Ich habe mich direkt hingelegt und 2h geschlöst (eine Mischung aus geschlafen und gedöst). Dann duschen. Ahh Scheiße! Schon wieder nur Warmwaaserspeicher und schon wieder kalt. Hätte ich doch sofort geduscht. Mist Kacke Mist u.s.w.. Eine Waschmaschine gibt es hier auch nicht, hatte ich doch vor, heute mal die 3,- zu investieren und neben den Unterhosen Socken und Shirts auch die Wandershorts und das Handtuch zu waschen. Bisher habe ich immer nur die Tageswäsche mit der Hand gewaschen, was eben auch nicht immer das Optimum ist. Nagut. Eine Unterhose habe ich noch, die Socken müssen noch mal und das Shirt dann eben auch. Vielleicht rieche ich morgen über Tag etwas streng, aber ich bin ja draußen. Insoweit passe ich mich also nur den hygienischen Gesamtumständen hier an. Mal ehrlich, Bei rund 100 Übernachtungen täglich in einfachsten Verhältnissen und bei 8-12 EUR pro Nase da kommen im Monat 15-20 Kilo-EURO zusammen. Da wird man wohl gelegendlich einmal etwas gründlicher wischen und eine Flasche Schimmelex verwenden können. Damit wäre viel gewonnen. Als ich gstern abend in Najera in der Halle zu Bett ging (ich hatte diesmal mein Bett unten, also da wo sich das Co2 zuerst konzentriert), war es eine Mischung aus hoffen und nicht hoffen, den nächsten Tag zu erleben. Kein Fenster und die Lüftungsgitter dick schwarz verkrustet. Die Lüftung selber war weder durch Geräusch noch durch Luftzug zu verspüren, so dass es als sicher gelten konnte, dass die nicht läuft. Eigentlich gut, dann was da rauskäme will auch keiner einatmen. Ich meine mich zu erinnern, dass für einen gesunden Schlaf bei geschlossenen Fenstern und Türen min. 10m3 Raumvolumen erforderlich sind. Keine Ahnung ob das stimmt, aber die sind es hier bei weitem nicht. Es stehen ca. 20 Bunkbeds, also immer zwei übereinander, in einer Reihe je rechts und links an der Hallenwand. In der Mitte längs angeordnet noch zweimal 10. Dazwischen schmale Gänge. Raumvolumen bei angenommenen 3,5m Hallenhöhe also rein rechnerisch je Person ca. 6-7 m3. Naja, wenn die untere Lage der Pilger am nächsten Moren tot wäre, wäre da bestimmt inzwischen etwas passiert. Und dem Schimmel nach zu urteilen, machen die das hier schon seit Jahren. Wird also gut gehen. Das größere Problem sind vermutlich eh die Bakterien und Viren aus allen Teilen der Erde, die hier zusammen kommen und das bei insgesamt erschöpften Körpern. Kein Zweifel also: Gott liebt und schützt Pilger, sonst käme kaum einer je wieder nach Hause!
Als ich heute Morgen die Herberge verlassen hatte, hatte ich übrigens weder etwas zu essen noch etwas zu trinken dabei. Die Bäckerei und der Kiosk, die ich gestern Abend gesehen hatte und darauf spekuliert hatte, dass die heute Morgen auf haben, zumal in der Bäckerei ein vermeintlich entsprechend offeriendes Schild klebte, hatten beide zu. Eine Bar hatte auf und so kaufte ich mir ein Croissant für 1,20 € und eine 0,3L Flasche Wasser für sage und schreibe 1,-€. Frechheit! Alle anderen Läden waren zu. Unglaublich. Also mal rein auf Basis der optischen Eindrücke und des Gebäudebestandes bzw. -zustandes beurteilt würde ich Nordspanien als arm bezeichnen. Einige wenige Großstädte vielleicht ausgenommen. Der Pilgerstrom von immerhin mehr als einer Viertelmillionen Menschen pro Jahr, dürfte also mit der Nennenswerteste Import von Geld hier sein. Wenn ich also in einem Dorf leben würde, in dem nix los ist, dann würde ich einen gut bestücken Kiosk eröffnen und morgens zwischen 6 und 8 Uhr für die abreisenden Pilger öffnen. Im Supermarkt kostet eine 0,5L Flasche Wasser 25ct. In meinem Kiosk würde ich 50 ct nehmen und parallel dazu frische Brötchen und allerlei anderes anbieten. Bei 200-300 Pilgern täglich - kommend und gehend also über 500! - würde vermutlich jeder zweite an meinem Kiosk halt machen und etwas kaufen so dass ich mit mehreren hundert EURO Umsatz täglich rechnen könnte. Bei 50% Gewinnspanne käme ich schnell gut zurecht. Natürlich würde ich dann noch ein paar Tische und Stühle vor die Türe stellen, damit der erste Kaffee und ein Croissant oder so auch gleich in die Pilgerkehle wandern kann für ein paar extra Euro. Und Abends kleine Karte und frisch gezapftes. Kann nicht falsch sein und die Miete ist eh schon rein. Vermutlich würde ich dann noch eine Halle dazu mieten/kaufen und 100 Betten darin aufstellen. Dann noch eine Zeitarbeitsfirma gründen und das Reinigungspersonal an die benachbarten Herbergen günstig ausleihen. Es fehlte dann noch die eine oder andere Mieteinnahme. Aber da die Gebäude hier allesamt Schrott sind und sehr viele zum Verkauf stehen, würde sich da sicher schnell auch etwas tun. Die Konstellation mit den Spenden müsste man dabei im Auge behalten und die Frage, ob der Sitz der dabei entstehenden Unternehmensgruppe möglicherweise in Lichtenstein sein sollte. Ach ich würde so gerne.......
Ich habe im Übrigen inzwischen rund 190 km zurückgelegt. Bis auf Fräulein Blase an der linken Ferse keine Blessuren und auch die habe ich gut im Griff. Sah zwar etwas eklig aus, als ich eben nach der kalten Dusche erstmalig die Verklebung aus der Farmacia in Sansol löste, aber das wird schon wieder. Heute Nacht lasse ich das erstmal offen zum trocknen. Es sind nun noch ca. 560km. Wenn ich also in den nächsten 8 Tagen auch 190 km schaffe, dann ist bereits Bergfest und die Distanz zum Ziel ist kleiner als der bereits zurückgelegte Weg.
Beim Erkunden der City eben habe ich leider keinen Laden gefunden. Alles zu bzw. nicht vorhanden. In der Kathedrale wollte sie Eintritt. Nö. bezahle ich zum Beten nicht und Hühner habe ich selber. Also ziehe ich mir an einem Automaten zwei Tüten Chips und ein Bier (2,10) und eile zurück, da es anfängt zu gewittern. Auf halben Weg sehe ich einen Wegweiser Supermarkt, aber es regnet zu doll, so gehe ich ohne Suppe in die Herberge zurück.
Dort sitze ich nun und schreibe. Eine junge Frau aus Dresden (Elisabeth) gesellt sich an meinen Tisch und Doris aus Kanada. Wir unterhalten uns etwas und der Mann am Nebentisch, aus Südafrika spendiert ein Glas Weiswein. Später sitze ich wieder alleine am Tisch und beobachte heimlich die verzweifelten Versuche eines Franzosen und einiger verfrorener "Stadtmädchen" den Kamin in Gang zu setzen. Immerhin gibt es jetzt wieder Holz. Es juckt mir in den Fingern aber ich bleibe sitzen. Esse meine Chips und ziehe mir ein zweites Bier am Automaten. Auja. Ich habe heute noch ein paar Euro gut. Die bekommt der Automat und ich bleibe am inwzischen tatsächlich brennenden Kamin sitzen. Natürlich könnte ich nun auch noch zum Supermarkt gehen und Suppe und Wein holen. Die Sonne ist wieder rausgekommen und es ist trocken. Aber ich habe keine Lust. Das mit dem Wein ist auch durch und das bisschen Suppe kann ich mit Bier kompensieren. Plautzi geht es noch gut, somit kann ein bischen Hunger gar nicht schaden (obwohl der Gürtel heute Morgen bereits ein Loch enger geschnallt wurde).

Und hier das Fräulein Blase an der rechten Ferse:
