9.6.18
Burgos nach Hontanas - 30km - fucking endless

Soweit vorab zum abschließenden Eindruck des Tages.
Immhin ist es gelungen, mittags das vorbereitete Tagebuch bis 6.6.18 hochzuladen und fertigzustellen UND: Ich bin mal wieder am Ziel. Alles was mit gehen zu tun hat tut weh. Aber nur normaler Verschleiß, kein Assi-Schmerz oder so.

Heute war der erste von zwei harten Tagen. 2 x 30 km stehen an mit viel up and down. Es ist bewölkt und trocken. Ich habe keine Schmerzen. Die Herberge war super. Riesig und wie ein Neubau. Ich war in der fünften Etage mit ca. 40 Personen. Mit Aufzug. Kein Schimmel in den Fugen, nirgendwo! Große Gänge, alles sauber und ordentlich. Mit Behinderten WC (war leider auch das einzige oder ich habe die anderen nicht gefunden). Hatte auf jeden Falle, insbesondere gemessen an allen anderen, Hotelcharakter, auch wenn das Wasser zum Duschen nur lau war. Und das alles für nur 5,-. Stadtmitte, direkt neben der Kathedrale.

Um acht verlasse ich den Laden und gehe noch mal um den Block. Hatte ich gestern keine Lust mehr zu. Ich mache ein paar Fotos (s.u.) und begebe mich auf den Camino. Dort treffe ich auf den deutschen Sportler vom ersten Tag. Wir begrüßen uns mit Handschlag und reden ein paar Worte. Flavi (die Flämin bzw. Belgierin) ist auch dabei und zwei weitere Hühner. Außerdem eine kleine Spanierin Typ Yanee. Figurlich top, nett, 50+, grüßt immer freundlich und ist toppfit. Sie hat mich in den letzten Tagen schon ein paar mal stehen lassen. Auffallend an ihr, neben der scharfen Figur, ist der extrem kurze Rock. Wie ein Tennishöschen nur in schwarz. Kurz genug um Interesse zu erwecken und gerade lang genug, um das Wichtigste zu verbergen. Also frei nach der Taktik: Gut getarnt aber effektvoll platziert bzw. ein sichtbares Geschützt ist strategisch wertlos....

Ich gehe einen Moment mit der Gruppe. Wir machen Halt in einem Kiosk, ich kaufe Milch und Brot, und dann geht es weiter. Ich bleibe jedoch zurück, da ich nicht schnell genug bin bzw. sein will. Gestern war ein großes Fest in der Stadt und als ich durch den Park schlendere sehe ich die Stadtreinigung beim Kampf gegen die Folgen.

Während ich durch den Park und am Uni-Gelände vorbeispaziere und frühstücke (Milch und Brot) denke ich über die Unterkünfte der letzten Tage nach. Von Erzählungen her muß es in Flüchtlingsunterkünften teilweise ähnlich gewesen sein. Große Hallen, viele Betten und Menschen aus allen Teilen der Erde oder wenigstens aus einigen Teilen. Fremd in der Fremde. Aber man ist willkommen. Wird als Mensch angenommen. Bekommt einen Platz zum schlafen. Kostenlos. Der Flüchtling bekommt dazu noch Essen und Trinken kostenlos. Gemeinschaftsduschen, Sammeltoiletten, wenig Privatsphäre. Aber ok. Ich fühle mich jedenfalls weder erniedrigt noch abgeschoben oder unwürdig behandelt. Im Gegenteil. Ich fühle mich willkommen. Ich bin dankbar dafür und auch für die Erfahrung ansich. Wenn ich also an einige unserer Mieter denke, deren einzige Verpflichtung (neben etwas Dankbarkeit) die Weiterleitung des geschenkten und zweckgebundenen Geldes für Wohnraum an den Vermieter ist, dann kann ich nun umso weniger verstehen, warum wir in dieser Hinsicht immer wieder Ärger haben. Nun alles weitere in dieser Sache würde als rechtsradikal ausgelegt.

Mittags erreiche ich eine Bar in Tardajos mit super WIFI. Ich bestelle einen Kaffee und mache mich an die Arbeit. Ca. 50 Pilger kommen in den folgenden zwei Stunden an mir vorbei. Einige bleiben einen Moment, andere gehen durch. Ich stelle meine Tagebuch bis einschließlich 6.6. fertig und bin sehr stolz. Die kleine Spanierin aus der Bar spendiert eine Minitasse spanische Suppe für die Anwesenden. Lecker. Um halb zwei packe ich ein, kaufe noch eine halbe Flasche Wasser und mache mich wieder auf den Weg. ca. 15 km liegen vor mir und es soll ordentlich hoch und runter gehen. Elisabeth aus Dresden hatte mit eine Weile Gesellschaft geleistet, ging aber schon vor mir wieder los. Nach einer Weile, ich komme extrem gut vorwärts, hole ich sie ein. Sie hatte in der Bar schon von Hüftschmerzen gesprochen. Während ich sie einhole achte ich etwas auf die langen Beine und den Gang. Sieht aber alles normal aus. Lediglich der Rucksack ist linkslastig. Wir überprüfen gemeinsam den Sitz des Rucksacks und ziehen ein paar Schnüre nach. Dann empfehle ich ihr, nur einen Stock zu benutzen und zwar links und überlasse ihr noch einen Blister IBU.

Dann hole ich noch die englische Mutter mit ihren Söhnen ein. Die haben sich Fahrräder gemietet, sind damit aber auch nicht schneller. Wir wechseln ein paar mal bis sie auf einer längeren Geradeausstrecke dann schließlich doch schneller sind. Anderhalb Stunden später komme ich bereits auf der Hälfte der zweiten Hälfte in Hornillos del Camino an. Ich muß dringend auf einen Donnerbalken (die spanische Suppe ?!). Gesagt getan. Ich ging einfach in eine kleine Bar-Herberge und habe gefragt, ob ich mal das WC benutzen darf. Hat nichts gekostet und ich habe auch nichts bezahlt. Nomalerweise, also in good old Germany, steht am WC immer "nur für Gäste" oder eben 50ct. Da macht man sich gerne auch mal dadurch, wenn keine Klofrau da ist oder guckt und hat ein schelmisch schlechtes Gewissen. Hier empfand ich das als völlig ok. Service am Pilger eben. Ich habe bisher auch kein Trinkgeld geben. Nprmalerweise ist das meine Art auszudrücken, dass der Service scheiße war. Aber auch das ist hier anders. Tringkeld wird zwar gerne genommen aber nicht erwartet, da es auch nicht die Regel ist. Also: Man muß auch mal was annehmen, auch wenn ich sonst ungerne etwas schuldig bleibe.

Die beiden Bulgaren (Vater und Sohn) die ich immer wieder mal treffe, haben hier für heute eingecheckt. Elisabeth kommt rein. Es geht ihr besser aber sie macht hier heute Schluß.

Der nun folgende Weg führt über weite, endlose Kornfelder. Während ich so an den Resten meines Brotes nage, kommt mir der Gedanke, dass das Korn dafür im letzten Jahr möglicherweise genau hier gewachsen ist. Die Felder erscheinen endlos und das Korn für das kommende Jahr gesichert. Der Weg war einfach aber lang. Die Einheimischen sind durchweg Pro Pilger. Sie grüßen und wünschen Buen Camino. Auch aus dem vorbeifahrenden Auto oder Tracker heraus. Zumindest auf den Landstraßen. Über weite Teilstrecken habe ich Schritte gezählt und in km umgerechnet. 600 Doppelschritte sind genau 1km. Jedenfalls wenn ich zügig und weitgehend beschwerdefrei laufe und nicht humpeln muß, wie es oft gegen Abend der Fall ist. Meiner Rechnung zu Folge haben die im Guide um 2-3 km beschissen. Ich bin sicher, es war weiter als angegeben. Die letzte Stunde war demnach eine Qual, weil ich mich schon im Ziel wähnte und einfach nicht mehr konnte. Aber ich schleppte mich weiter vorwärts. Proviant ist alle. Und dennoch bin ich angekommen. Die Herberge war ok. Etwas verwinkelt alles aber egal. Sechs Personen waren im Zimmer heute und im Raum daneben eine Art Großfamilie nerviger Franzosen mit nörgeligen Kindern.  Ich habe mich wie immer erstmal ins Bett geworfen und etwas geschlafen. Dann bin ich runter in die urgemütliche Bar, die zu der Herberge gehört. Dort gab es dann einen Hamburger mit Pommes und Bier für viereinhalb Euro. Ich saß an de Theke und habe mein Laptop ausgepakt und etwas getextet. Dazu drei weitere Bier. Die Übernachtung war mit 6,- günstig und gut. Heute habe weniger als zwanzig Euronen verbraucht. Kein Regen heute, also zumindest nicht für mich...


Der Typ im Aufzug nach unten auf dem Weg zum Ausgang.

Und hier die endlose Gegend links - Weg - rechts: