23.6.2018
Triacastela nach Sarria

17 einfache km sollen es werden und die waren es auch. Gleich hinter dem Ortsausgang musste ich entscheiden, die 17km oder 6km mehr und in vergleichbarer Landschaft noch an einem tollen Kloster vorbei. Da ich schon genügend Extrakilometer in Fromista gesammelt hatte und nicht wegen der Kloster hier bin, entscheide ich mich schnell für die kurze Variante.

Auf einer Anhöhe kann ich über die Täler vor mir blicken und eine große Wolke hängt darin. Ich bin über der Wolke und habe blauen Himmel Sonnenschein. Eine Stunde und rund 600 Höhenmeter tiefer bin ich durch die Wolke unter nun unter der Wolke. Das war auch mal ein Erlebnis. Hier ist es nun wie an einem normalen bewölkten Tag ohne Sonne. Aber vor einer Stunde noch war ich in der Sonne über der Wolke und ich könnte nun zurückgehen und wäre wieder dort. Und da soll mal einer sagen, der Mensch hätte keinen Einfluß auf das Wetter. 

Gegen halb zwölf war ich bereits in Sarria (bei Sonne, die Wolke nun hinter mir), bin ohne Pause durchgegangen. Unterwegs gab es ein Ei und eine Banane in einer Austeigeroase. Austeigeroasen nenne ich die Pilgertreffs, die in alten Gebäuden gelegentlich am Wegesrand von Leuten errichtet wurden, die keinen Bock mehr auf normales Leben so mit Arbeit und so haben und dort nun abhängen. Kaffee, Rauchen, Wein und so und eben jede Menge Pilger, die über Tag so vorbeikommen und diese Oasen (Kissen, Hängematten, etc.) gerne annehmen. Es stehen Körbe mit Obst und Keksen bereit und diverse Softgetränke in Tüten oder Flaschen und es wird Kaffee und Tee angeboten. Alles gratis. Natürlich steht eine Spendenkiste bereit. Ich würde nun davon ausgehen, dass die durchschnittliche Spende über dem Einkaufswert der verzehrten Lebensmittel liegt und das hundert mal am Tag, da bleiben dann ein paar Euro über, von denen die Leute leben können. Manchmal sind es auch sehr junge Leute. Studenten oder so die ein Jahr Auslandserfahrung machen wollen. Da ich in den Oasen meist keinen Halt mache kann ich nicht wirklich etwas zu den Leuten sagen. Ich mutmaße also nur.  Nun sitze ich einer Bar in der Ortsmitte und habe einen Hamburger gegessen und einen Milchcafe getrunken. Jetzt texte ich etwas und hoffe, dass ich gleich noch das WiFi benutzen darf. Ein Schild habe ich nicht gesehen und auch keinen Passwortaushang wie sonst auf dem Camino üblich, wenn vorhanden. Vermutlich ist Sarria zu groß und WiFi hier kein Argument.

Aber ich habe gefragt und durfte mich einloggen. So habe ich alle Texte bis heute laden können, wie man nun sieht. Nun nur noch die Bilder und der rest von heute. Das mache ich dann vielleicht heute Abend oder Morgen, je nach WiFi.


Um 15:30 Uhr war ich meinen Texten fertig und musste nun nur noch die Fotos auswählen, sortieren und benennen. Dann hochladen und einbinden. Bestimmt noch mal eine Stunde Arbeit und ich saß schon fast drei Stunden hier. Nö, keine Lust mehr. Vielleicht heute Abend.  FJetzt will ich noch etwas gehen. Es waren nur 17km heute und übermorgen sollen es 29 werden. Da mache ich heute noch 5-8 und Morgen auch, dann ist Übermorgen nicht so viel. Also raus aus der großen Stadt und weiter. Es sind kaum noch Pilger unterwegs, aber ich treffe viele, die vor den Herbergen sitzen und chillen. Ich überhole noch eine Frau aus Kanada, die garde nach einer Herberge sucht. Dann geht es wieder über Felder und Berge. Nach 4km ein Dorf (Barbadelo). Ich komme an einer Herberge vorbei uns frage, ob im nächsten Dorf mit einer Herberge zu rechnen ist. Sie sagen erst in ca. 8km. Das ist mir dann doch zu viel für heute. Leider ist diese Herberge schon voll, aber in direkter Nachbarschaft gibt es noch zwei. Ich nehme die erst beste und checke ein. Es gibt dort nichts zu essen und zu trinken und ich habe Durst. Hunger kommt sicher noch, denn es ist erst fünf. Aber hundert Meter weiter ist ein weitere Herberge mit Pilgerdinner. Also, Duschen, Wäsche, Kramen und dann zum Pilgerdinner. Vorher sitze ich im Garten im Schatten und mache die Fotos fertig. Dann um sieben ist Dinner. Drei Gänge und Wein 10,-. habe ich noch im Budget. Ich sitze am Tisch mit einem Texaner und zwei jungen Damen, Lehrerinnen aus Colorado. Das war sehr unterhaltsam. Danach wieder in den Garten und Tagebuch fertig machen und Nathalie antworten. Ein paar Münzen in die Biermaschine und noch ein paar Dosen aufgerissen. Dann zurück in die Herberge und Guten Nacht.

Leider ist das WiFi hier nicht funktional.
Also geht das Morgen erst online.




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Ein Gedankengang vom 19.6., da war er aber noch nicht fertig und da war auch schon genug Text.

Was ist eigentlich ein Heiliger? Zu Lebzeiten wussten die wenigsten, dass sie heilig sind oder werden. Wer entscheidet das und warum und wann? Die Mehrheit, ein Einflussreicher, Gott oder die Geschichte? Warum ist zum Beispiel der heilige Jakobus heilig? Als Jünger Jesu gesetzt wie der Gastgeber der Fussball-WM? Oder hat er sich das verdient? Seiner Missionsarbeit sagt man nach, dass diese von eher wenig Erfolg gekrönt war. Früher zumindest. Inzwischen wird die Mission immer besser und jährlich werden es mehr Menschen, die zu ihm pilgern. Bis zu dreihunderttausend allein in diesem Jahr werden erwartet. Bestimmt gibt es feste Regeln zur Heiligsprechung. Kolping soll ja auch ein Heiliger werden. Wir beten oft darum. Seelig ist er schon. Heilige darf man anbeten. Sie kümmern sich dann um die Anliegen und tragen sie vor Gott mit entsprechender Fürbitte. Also eine Art Job. Aber was hat der Heilige vor seiner Heiligsprechnung gemacht? Und was ist, wenn der nicht heilig sein will, also keinen Bock auf den Job hat? Oder liegt es in der Natur des Heiligen, diesen Job zu wollen, so wie jeder Mensch einen gut bezahlten Vorstandsposten annehmen würde, wenn er denn dazu auserkoren würde? Und sind alle Heiligen gute Menschen gewesen oder kann auch ein böser Mensch heilig werden? Schließlich ist auch der christliche Glaube auf die Bösen angewiesen, denn sonst wäre die Abgrenzung zum Guten schwierig und unverständlich. Pontius Pilatus zum Beispiel. War der jetzt gut oder schlecht? Seine Rolle hat er jedenfalls gut ausgefüllt, denn er wurde Teil des Glaubensbekenntnisses und somit allein dadurch unvergesslich oder unsterblich. Das haben die meisten der damaligen großen Kaiser nicht geschafft. Warum ist der nicht heilig? Er ließ Jesus geißeln aber verurteilt hat er ihn nicht. Er hat die Kreuzigung auch nicht verhindert, aber das haben die anderen auch nicht. Wäre er nicht prädestiniert für die Rolle eines Heiligen. Wenn doch unser Schicksal von Gott vorherbestimmt und gelenkt wird, dann hat er doch nichts falsch gemacht. Er hat seine Rolle wahrgenommen und nur getan was die heilige Schrift im Voraus bereits für ihn vorgesehen hat. Er hatte also gar keine Wahl. Und man stelle sich vor, er hätte Jesus frei gesprochen und die Kreuzigung verhindert. Dann sähen wir heute aber ganz schön blöd aus. Keine Kreuzigung, keine Auferstehung. Kein Auftrag an die Jünger zu Aposteln zu werden und so weiter. Ostern wäre im Arsch. Einen Jakobsweg gäbe es nicht und was würde ich heute machen? Also für diesen gewaltigen Einschnitt in die Geschichte der Kirche ist eine Heiligsprechnung sicher allemal gerechtfertigt. Der Schauspieler, der den Bösen auf der Bühne gespielt hat, bekommt am Ende schließlich auch Applaus.

Oder war es vielmehr so, dass Pilatus als freier Mensch frei entscheiden konnte, was er tat. Hätte er befohlen, Jesus frei zu lassen, wäre er fein raus gewesen. Möglicherweise hätte sich die Schrift dennoch erfüllt, weil das Volk Jesus trotzdem hingerichtet hätte und Pilatus gleich dazu. Dann wäre der sogar Märtyrer geworden. Pilatus hatte also sehrwohl nach freiem Willen gehandelt und hätte auch eine Wahl gehabt. Auf das Schicksal Jesu an diesem Tag hätte es zwar am Ende keinen Einfluß gehabt, aber die Geschichte hätte sich in soweit zumindest maginal geändert, als dass Pilatus heute als Märtyrer verehrt würde, vielleicht heilig wäre, eine Kirche nach ihm benannt wurde. Sein Name wäre also ebenso unvergessen, wenn vermutlich auch nicht so oft erwähnt. Die Allmacht Gottes vorausgeschickt und nicht in Frage gestellt, würde ich mir aus diesem Denkansatz für mich zumindest festhalten, dass ich mit meinem Handeln zwar keinen nennenswerten Einfluß auf die von Gott geplante Geschichte habe, aber meinen Platz darin bestimmen kann. Das ist ok. Das reicht mir.