The Day after Santiago
Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Alles friedlich und dunkel. Ich stelle ihn zehn Minuten weiter. Er klingelt wieder und ich stehe auf, packe schnell zusammen und bin wenige Minuten später auf dem Camino. Ich komme aber nicht weit. Nur hundert Meter weiter ist ein Rastplatz mit zwei Tischen und zwei Bänken und einem großen weißen Anhänger der wie ein Verkaufswagen wirkt. Von hier aus kann ich zum einen wunderbar den Sonnenaufgang beobachten, wie auch den Garten, an dessen Rand ich geschlafen habe. Also lasse ich mich wieder nieder. Warum auch nicht, hier darf ich sein und ich habe keine Eile. Ich mache Bilder vom Sonnenaufgang und gucke mir das fast zwei Stunden lang an. Versorge meine Füße in der Zeit und chille. Niemand hier. Erst nach acht kommt der erste Pilger. Bis zehn waren es noch kein halbes Dutzend Pilger. Inzwischen ist es kurz vor elf. Seit fast fünf Stunden sitze ich nun hier und schreibe insbesondere den gestrigen Tag auf. Seit ein paar Minuten kommt die Sonne voll durch und ich breite meine feuchten Sachen aus. Toller Tag. Wie Uraub. Es fehlt nur das Frühstück und der Magen meldet eben dieses auch. Es geht steil bergauf und nun kommen alle paar Minuten Pilger keuchend an mir vorbei. Ich habe nur noch wenig Wasser und es sind 5-6km bis zur nächsten Bar, das meister bergauf. So schön das mit dem Sachen trocknen also ist, ich werde hier wohl trotzdem gleich aufbrechen. Mal sehen, wie weit ich heute komme, wo ich schlafen werden und was es noch zu erleben gibt.
Mit ein paar Oliven von gestern und einem halben Liter Wasser im Bauch, das ist alles was es noch gab, gehe ich nun gut erholt, gesonnt und mit trockener Wäsche los. Es ist ruhig und sonnig. Kaum Pilger unterwegs und keine Touristen mehr. Das eigentliche Tagesziel heißt Negreira aber das sind nur noch knapp 10 km, da ich gut die Hälfte des Weges gestern Abend schon gelaufen bin. Also soll das nur die Zwischenetappe werden. Auf halbem Weg dorthin ist eine kleine Bar. Dort esse ich ein riesiges Baguett mit Schinken und ein Bier und nehme eine Flasche Wasser mit. Negreira erreiche ich schnell und gut. Dort gibt es einen großen Supermarkt und ich habe Hunger und Durst. Es ist schwer sich zurückzuhalten und nur das Wissen um einen Rucksack schwer wie Blei macht es überhaupt möglich, mich auf einige wenige Dinge zu beschränken. Mit zwei schweren großen Tüten und über 6kg ziehe ich dann ab und will möglichst zügig wieder in den Wald und nach einem Rastpatz suchen. Den finde ich ca. 1h später und lasse mich nieder. Durch trinken, essen und umpacken versuche ich meine Verpflegungslast auf 3kg zu reduzieren, von denen ich 1,5kg Wasser dann in die Hand nehme um es beim Gehen nach und nach zu trinken. Das hat sich bewährt. So vergesse ich nicht zu trinken und muß das Gewicht nicht auf dem Rücken tragen. Dann lege ich mich auf meine Matte am Wegesrand in den Schatten und schlafe etwas, bevor es weitergeht. Mein Wunschziel ist in der Nähe von Vilaserio halt zu machen für die Nacht. Bevorzugt natürlich wieder draußen.
4km vorher donnert es und blitzt und es zieht sich zu. Ich lache. Ist mir egal. Ich packe meinen Rucksack wasserfest und fülle den Inhalt der Fasche Wein um in die Colaflasche. Was bleibt sind 200ml Wein, die ich austrinke und mir das Schauspiel am Himmel ansehe. Mein Shirt habe ich vorsichtshalber auch eingepackt und sitze nun nur in meiner kurzen Shorts auf einem Felsbrocken. Das Gewitter ist genau über mir und es beginnt zu hageln. Erbsengroß und etwas größer. Netter Versuch Herr Jakobus, aber davon werde ich nicht nass! Nach einer Weile geht der Hagel in Regen über. Dicke große Tropfen und herrlich warm. Der Weg verwandelt sich in einen Fluß und ich beginne zu tanzen: Heiaha Heiah..... was für ein Spaß. Nach ca. 20 Minuten ist der Spaß vorbei und die Sonne kommt wieder raus. Alles dampft und ich streife alleine durch die nassen Felder. Wolkenzug und Wind sehen allerdings weiter nach Regen aus und ich spiele mit dem Gendanken, eventuell für diese Nacht doch eine Herberge anzusteuern. Es ist kurz vor neun. Üblichweise ist um zehn Zapfenstreich. Dinner ist vorbei und einen Shop gibt es nicht, so dass ich auch nichts kaufen und kochen könnte. Es gibt zwei Herbergen. Beide wollen 12,- für die Nacht. Das ist schon vergleichsweise viel und ich würde eigentlich viel lieber noch 2-3 Stunden draußen sitzen, mir den Sonnenuntergang ansehen und meinen Wein trinken. Arger Zielkonflickt. Vielleich kann ich handeln: Ich darf duschen und aufs Klo und schlafe dann im Garten und zahle dafür nur den halben Preis. Ich entscheide mich dann für die zweite Herberge und wie sich zeigt, war das richtig. Es gibt zwar nichts zu essen mehr, aber die kleine und sehr rustikal eingerichtet Herberge hat einen kleinen Garten und eine Terrasse mit Couch. Dort lassen die mich sitzen. Wenn ich reingehe, soll ich abschließen. GEIL! Nach dem wirklich schönen Sonneruntergang trotz Wolken döse ich ein paar mal ein und gehe dann kurz vor Mitternacht ins Bett. Während der Zeit auf der Couch denke ich darüber nach, was ich essen möchte, wenn ich wieder zu Hause bin. Die kulinarischen Möglichkeiten des Camino sind sehr bescheiden. Wenn man etwas leckeres essen möchte, dann muß man das selber kochen und dazu ist halt als Pilger nicht immer die Möglichkeit. Besonders vermisse ich die sonntäglichen Frühstücke mit ihren Variationen von Ei, Wurst, Käse und den frischen Orangensaft vom Markt. Aber auch Currywurst Pommes, Grillhähnchen, Sauerbraten vom Pferd mit Klösen, Nudeln Bolog, Gulasch, Spieße vom Grill oder einfach Bratkartoffeln vom Grill. Ach es gibt so viele leckere Sachen, die die hier nicht haben.
Die Bilder vom Sonnenaufgang heute Morgen am Rastplatz habe ich zu einer Slideshow zusammengestellt.
Hier das Video zum Hagel
(mein Tanz ist nicht darauf zu sehen)

Der Sonnenuntergang am heutigen Abend von der Couch auf der Terrasse aus betrachtet
und der passenden Wein dazu.
