30.6.2018
Vilaserio nach Cee
Ein harter Tag. Härter als geplant aber schön.

Nach 7km erreiche ich die erste Bar und freue mich auf Frühstück. Oh so ein Rührei mit Speck. Wenn der mich doch bloß mal in seine Küche ließe. Aber Eier sind wohl aus. Erstaunlich, wo es an Hühnern hier nicht mangelt. Offenbar ist aber auch alles andere aus, was warm ist. Das Problem scheint also wo anders zu liegen. Also nehme ich ein Baguette mit Schinken und Käse. Der Schinken (Serrano) hier ist schon klasse, der Käse geht so. Butter oder vergleichbares kennen die hier nicht. Dazu natürlich ein Cafe con Leche. Das geht immer. Dann geht mit einer eiskalten Flasche Wasser in der Hand weiter. Die ist so kalt, das ich regelmäßig die Hand wechseln muß.

Die Wege hier sind ein bißchen wie bei Carcasonne. Man weiß nie, was als nächstes kommt. Endlose lange Straße, kleines Dorf oder Arschlochhausen, ein Kloster, ein Kürvgen oder eine Kreuzung. Manchmal auch ein Bauer. Und es ist immer wieder spannend um eine Kurve, einen Baum, Felsen, Haus oder sonstwas herumzugehen. Manchmal überraschend, manchmal befreiend und manchmal auch depremierend, wenn es wieder endlos geradeaus oder steil nach oben geht. Manche Anstiege sind so steil, das ich nicht nach vorne umfallen könnte beim Stolpern. Als ich Olveiroa erreiche, ist es erst 15:30 Uhr und ich habe 21 km hinter mir. Es war trocken und Mittags sehr heiß. Zu essen gab es wenig und zu trinken nix leckeres. Also gehe ich bis zum Ortsausgang und nehme in der dortigen Bar ersteinmal ein Bier. Mir ist kalt und ich ziehe meine Jacke über und sitze auf der Bank auf der Terrasse. Ich warte auf ein Zeichen, denn ich muß eine schwere Entscheidung treffen. Zu der Bar gehört eine Albergue. Die einizge im Ort. Es beginnt zu nieseln. Es ist eigentlich zu früh und morgen stünden dann 34 km und eine schwere Strecke an. Schön wäre, heute noch knapp 10km zu laufen, aber die nächste Herberge und vor allem Einkaufsmöglichkeit ist in Cee und das sind knapp 20 km. Morgen ist schon wieder Sonntag und wenn ich heute nicht dahin gehe, kann ich für Morgen nichts einkaufen. Ich hadere. Der Mann an der Theke sagt mir, entgegen meinem Guide, dass im nächten Ort, ca. 4km, auch eine Herberge und Bar sein soll. Ok. Also los. 4km sind besser als nichts und wenn es da eine Bar gibt, kann ich wenigstens Wasser und ein paar Kekse für morgen kaufen und bekomme ein Bier und was zu essen für heute Abend und kann noch etwas schreiben. So der Plan. Die 4km sind schnell um und noch bevor ich die Bar richtig sehen kann, höhre ich schon meinen Namen. Ich bin wirklich überrascht, Maria und Flavi zu erkennen, die ich deutlich hinter mit glaubte. Ob die geschummelt haben? Wir reden kurz. Sie fordern mich auf zu beiben, was ja auch der eigentliche Plan war, dass bedeutet aber auch, heute Abend nichts mehr schreiben zu können und morgen, letzter Wandertag, nicht alleine zu sein sondern in einer Gruppe zu gehen. Nö. Wir reden eine Weile und dann verabschiede ich mich. Irgendwie auch blöd aber egal. Nun stehen die 16km ohne alles an und ich hoffe, vor 21:00 Uhr dort zu sein und noch offene Läden zu finden. Die Strecke ist lang und zäh. Ich will aufgeben und mich niederlassen, aber es gibt nur den Weg und kein rechts und links. Am Ende muß ich 300 m runter. Steil und langgezogen. Dann der Ort. Und wieder die Entscheidung Herberge oder nicht. Es ist 21:30 Uhr. Deutlich später als erhofft und alles zu. Außerdem bin ich noch 2-3km vom Zentrum entfernt. Ich gehe also zu der Herberge, um wenigstens etwas zu trinken zu bekommen. Es sieht gemütlich aus und ist nicht voll. Nur sechs Pilger hier. Etwas wiederwillig checke ich für zwölf Euronen ein. Auf die Dusche verzichte ich, obwohl ich die gut brauchen könnte, und auch auf das Wäsche waschen, obwohl inzwischen alles zu Himmel stinkt. Ein Wolf hätte mich in der Heide jedenfalls nur angefallen wenn seine 10 Welpen seit drei Wochen nichts zu beißen gehabt hätten und des Todes nahe wären. Eine kleine, niedliche Japanerin (oder ähnlich), Bruttogewicht 35kg, winkt mir aus der Küche zu und fragt, ob ich schon gegessen habe. Sie hat noch Suppe über. Hat sie frisch gekocht und war viel zu viel. Gemüsesuppe mit Linsen und Einlage. Dazu eine Büchse Bier so sitze ich um Punkt zehn vor dem Haus zusammen mit einem jungen Tschechen und einem älteren Franzosen. Wir reden. Es ist lau und ein guter Abend. Ich bin zufrieden. Der Junge geht schlafen der Franzose erzählt in mäßigem Englisch, aber ich kann ihm folgen. Am Ende bedankt er sich mich kennengelernt zu haben, stellt sich vor und gibt mir die Hand. Wir wünschen uns einen guten weiteren Weg. Ich fühle mich gut und bleibe noch eine Weile sitzen. Der Hausherr macht Feierabend und ich frage ob ich noch eine Weile im Gemeinschaftsraum sitzen darf. OK. Dort chille ich etwas und denke über die vielen Menschen nach, ich ich getroffen habe. Nun habe ich allein beruflich bedingt schon mit sehr vielen Menschen zu tun gehabt. Auch mit vielen Nichtdeutschen und mit vielen, die meine Sprache nicht sprechen. Aber dennoch war der Camino in dieser Hinsicht etwas besonderes. Die ganze Welt ist hier und irgendwie auch wie zu Hause. Die Menschen sind offen, freundlich, umsichtig, hilfbereit, können gönnen und sind nicht neidisch. Das gilt auch für die Einheimischen. Man geht hier miteinander um, als würde man schon seit längerer Zeit zusammen wohnen. Sollte ich eimal mein Zuhause verlieren, dann würde ich hier ein neues finden.

Auf dem Tisch vor mir liegen eine paar Zeitschriften. Unter anderem Illustrierte mit Prominenten. Ich blättere ein wenig. Lesen kann ich das zwar nicht, aber die Bilder sagen alles. Fotos vom Strand, von Partys oder derangierten Promies. Also wie bei uns.


Die Bucht von Cee.