1.7.2018
Fisterra und der letzte Tag

Es war ruhig in der Nacht und auch heute Morgen. Obwohl ich keine Ohrstöpsel drin hatte habe ich nicht mitbekommen, wie einige Pilger schon raus sind. Es ist halb acht und ich bin ausgeschlafen. Das Bett war ok. Ich packe und suche nach Sachen, die nicht so dolle stinken. Wäge ab ob es sich lohnt zu waschen. Heute ist noch egal, aber was ziehe ich morgen an, wenn ich nicht wandere und vielleicht in einer Bar sitze. Was auf dem Heimweg? Blöd in einem Flieger oder Zug zu sitzen und zu stinken wie Bolle. Es ist warm und heiter. Ich habe Hunger und Durst. Sonntag. Nunja, Cee ist eine große Stadt, da wird schon etwas aufhaben. Hat aber nicht. Der Markt wird gerade aufgebaut, ist aber noch lange nicht so weit und Essen togo gibt es sicher sowieso wieder nicht. Die Marktleute beginnen ihre Stände aufzubauen und das Wichtigste scheint derzeit zu sein, die Nachbarn eben dieses wissen zu lassen. Insbesondere durch das Herauswerfen von Zeltstangen aus dem Auto wird hier Aufmerksamkeit erzeugt. Ich höre Möwen und freue mich. Möwen sind toll. Kurz nach Cee kommt ein kleines Dorf. Es gibt eine Bar und ich grüße die Leute die dort sitzen. Seit ein paar Minuten gehe ich gemeinsam mit einer Amerikanerin. Sie ist vor drei Tagen in Santiago gestartet. 5 Tage Europa eben. Mehr Zeit ist nicht. Aber immerhin, sie geht Camino. Wir reden etwas und sie kann kaum glauben dass ich tausend Kilometer hinter mir habe. Und zack, Dorf und Bar verpasst. Kein Frühstück, kein Getränk. Und schon geht es bergauf. Ja wäre ja sonst auch zu einfach gewesen. Ich ziehe mein Shirt aus, damit es nicht vollschwitzt, weil es das letzte einigemaßen brauchbare ist und noch für heute Abend taugen soll. Die Ameriaknerin muss passen und braucht eine Pause. Ein paar km weiter komme ich an einen schönen Strand. Ich laufe etwas durch den Sand. Es ist bewölkt aber warm und es fiselt minnimal. Ideal also und keine Menschen. Unter normalen Beindgungen wäre ich jetzt schwimmen gegangen. Aber das ist mir zuviel Aufwand. Ausziehen, danach Duschen, anziehen alles neu Tapen und so. Danach möglichweise Sand im Getriebe und aufgeweichte Füße. Vielleicht heute Abend und dann die Nacht dort bleiben. Muß ich allerdings 11km zurücklaufen. Puh. Erstmal abwarten, wie Fisterra wird und ob es dort auch einen Strand gibt. Also kehre ich in das Tourismusrestaurant ein und nehme einen Milchcafe und Spiegeleier mit Bacon. War mäßig, aber ist drin und bringt mich nach Fisterra. Der Weg zieht sich, aber ich gehe langsam und habe keine Eile. Das Ziel ist in greifbarer Nähe.

An Kilometerstein Null empfängt mich ein Dudelsackspieler. Habe ich schon von weitem gehört und mir geschworen, dem mit Anlauf in die Fresse zu hauen, wenn ich ankomme. Ich beschränke mich aber auf böse gucken und gehe an ihm vorbei. Der Wind steht günstig und ein paar Meter weiter, also am Leuchtturm, kann ich ihn schon nicht mehr hören. Hier ist viel los. Viele Menschen, trotz des schlechten, diesigen und sehr windigen Wetters. Ständig kommen Reisebusse an und liefern Nachschub. Ich finde eine lauschige Ecke hinter dem örtlichen Cafe in der ein Ire mit seiner Frau sitzt und ein großes Bier vor sich hat. Wir reden. Es ist auch sein letzter Tag und auch er ist in pdp gestartet. Seite Frau holt ihn hier ab, ist gestern erst angekommen. Der Mann ist sympatisch und wir reden noch etwas. Dann gibt er seinen Platz auf und geht weiter in ein Hotel. Keine Alberguen mehr! Ich besorge mir in dem Cafe auch ein großes Bier und lasse mich dort nieder, wo der Ire saß. Es ist zwei und in gut zwei Stunden müsseten theoretisch Maria und Flavi hier eintreffen. Ich warte. Aber sie kommen nicht. Also döse ich vor mich hin. Versuche runterzukommen und mich an die Highlights der letzten Wochen zu erinnern. Die Tränen kommen. Genau fünf Wochen bin ich jeden Tag gelaufen. Mit den beiden Tagen Anreise und den 2-3 Tagen bis ich wieder daheim sein werde, war ich dann fast sechs Wochen von zu Hause weg. So lange wie noch nie. 5-10 Tage Urlaub waren in den letzen 25 Jahren das Maximum und selbst das war manchmal schon zu viel. Dennoch wurde mir die Zeit hier nicht lang. Natürlich hatte der eine oder andere Tag seine Längen, insbesondere wenn starke Schmerzen ein Fortkommen deutlich eingrenzten oder gar fast verhinderten. Aber insgesamt verging die Zeit sehr schnell. Insbesondere die letzten beiden Wochen flogen fast vorbei. Hier bin ich nun. Habe getan, was ich mir vornahm. Wie immer. Nichts besonders also. Und dennoch bin ich so stolz und zufrieden wie noch nie. Ich freue mich auf zu Hause und auf die Menschen die ich liebe. Sandra und die Kinder, Silke - mein Fels in der Brandung, natürlich meine Eltern und auch Johannes und Claudia. Die Kolpinger fehlen mir und auch meine Tiere. Zuhause eben. Dazu gehört auch Anja, die ich weiterhin sehr vermisse. Auch wenn es paradox sein mag und mein Handeln inkonsequent erscheinen lässt, so gehört Anja unverzichtbar zu meinem Leben dazu. Auch in Zukunft. Und ich hoffe, wir können bald freundschaftlich miteinander umgehen und uns wieder sehen.

Drei große Bier später habe ich abgeschlossen mit meinem Weg und bin bereit zu gehen. Nach fünf verlasse ich also den Felsen und gehe nach Fisterra zurück. 2,5km und dann in eine Herberge. Duschen, Sachen umsortieren, Wäsche waschen, Bett vorbereiten und dann in eine spanische Bar. Offenbar hat Spanien gerade gegen Russland gewonnen. Fussball WM. Deutschland ist wohl schon raus. Essen gibt es erst ab acht. Egal. Ich setze mich an einen kleinen Tisch und beginne zu schreiben und Bier zu trinken. Später gibt es Rinderfilet und Pommes und weitere Biere. Um halb zehn gehe ich zur Herberge um ins Bett zu gehen. Dort sitzen in der Küche noch ein Typ und eine Frau mit Beinen. Wir reden ein bisschen und offenbar ist es ok, hier nach zehn noch zu sitzen. Ich werfe zwei Euro in den Automat und will eine Dose Bier. Aber der Automat streikt. Ich bearbeite ihn ein wenig, aber es hilft nicht. Ich werfe eine kleine Münze nach um eventuel etwas zu bewirken, bringt aber auch nichts. Shit. Dann gehe ich rüber zu einer kleinen Bar und kaufe dort zwei kleine Flaschen Bier, setze mich wieder in die Küche und beginne die Fotos der letzten Tage zu bearbeiten und für den Upload vorzubereiten. Um kurz vor Mitternacht gehe ich dann zu Bett.


Der Strand vor Fisterra


Fisterra voraus


Für die, die noch nicht genug haben:
Öffentlicher Trimmdich-Pfad in Fisterra am Strand


Das Meer.


Der Typ. Zufrieden. Fertig. Bereit.