2.7.2018
Fisterra - Pausetag
Es ist acht Uhr Morgens und ich liege noch im Bett. Frühstück gibt es hier von 7-9 Uhr und es sieht insgesamt nicht nach Aufbruch aus. Das erste mal Morgens in einer Herberge. Später lese ich, dass man bis halb zehn raus muß. Ich trödel. Habe keine Lust. Das Wetter ist scheiße. Also noch schlechter als gestern. Null Sicht und Null Sonne. Also nix mit Strand und nix mit noch mal zum Leuchtturm wegen der angepriesenen tollen Aussicht. Auch mit sunset und sunrise wird das nichts. Ich buche in der Herberge eine weitere Nacht nach. Ist scheinbar kein Problem. Wirkt hier auch eher wie ein Unternehmen und nicht wie eine halbcarritative Einrichtung. Immerhin nehmen die hier auch zwölf Euro pro Nacht. Ist aber auch in Punkto Sauberkeit und Ausstattung mit die beste. Es ist Montag und der Supermarkt macht bestimmt gleich auf. Also werde ich Brot, Milch und Wurst kaufen und gucken ob ich Rinderhack bekomme. Dann mache ich heute die lang geplanten Nudeln Bolog. Schließlich schleppe ich fast eine komplette Konblauchknolle seit zwei Wochen mit mir herum. Der kleine Supermarkt gegenüber der Herberge ist gut und hat alles. Zwanzig Euro hab ich da gelassen. Irre. Aber ich habe für heute und Morgen eingekauft und die Nudeln Bolog werden sicher auch für zwei Tage reichen. Schließlich geht es erst am Mittwoch nach Hause. Habe gestern mit Sandra gemailt und sie hat einen Flug mit Zwischenstopp in Madrid für mich gebucht am Mittwoch Morgen um 6:40 Uhr. Mal sehen wie ich das organisere. Heute bleibe ich jedenfalls den ganzen Tag hier und vermutlich auch in der Herberge. Ich habe noch knapp 70,- EUR. Aber heute brauche ich auch nichts mehr. Morgen werde ich hier wohl um halb Zehn raus müssen. Mal sehen wo ich den Tag verbringe. Wenn das Wetter morgen hier immer doof ist, fahre ich schon mal mit dem Bus nach Santiago. Dann habe ich das schon hinter mir, sind schließlich hundert Kilometer. Vielleicht ist das Wetter da besser. Meinen Laptopakku krige ich heute voll geladen, so das ich Morgen weiterschreiben kann. Dann setze ich mich einfach wieder vor die Kathedrale und schreibe und gucke zwischendurch den ankommenden Pilgern zu. Das erscheint mir eine gute Idee. Mal sehen wie ich meine Nudeln Bolog transportiert bekomme. Vielleicht in der leeren Milchpackung, dann kann ich die Morgen Mittag gabeln. 

Inzwischen ist es eins und ich sitze seit zwei Stunden in der Küche. Ist irgendwie unruhig hier und die ersten Pilger treffen ein. Egal. Ich habe einen guten Tisch in der Nähe einer Steckdose und bin beschäftigt. Wenn Spanier reden, dann ist es so, dass alles in einem durch gesagt werden muß. Jedenfalls darf man wohl keine Sprechpause einlegen, da sonst vermutlich erst der andere dran ist und es lange dauern kann bis man selber wieder sprechen darf. Ich weiß zwar nicht, wie die das mit der Luft machen, aber offenbar können die beim Reden durch die Nase einatmen. Irre.

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Mit Blick auf meine durchaus erfolgreichen Bemühungen, mit einem Tagesbudget von max 25,- Eur zurecht zu kommen, kann ich am Ende meiner Reise konstatieren, dass das Geschwafel vom unwürdigen Leben eines HARZ IV Beziehers in der Tat grober Unfug ist. Natürlich muß sich der Harzer einschränken. Ist doch klar. Der einfache Fabrickarbeiter kann sich auch den Lebensstandard eines Großindustriellen nicht erlauben. Fakt ist jedoch, dass mit den gut 400,- EUR, die meines Wissens monatlich an Harzer verschenkt werden (Singelhaushalt), gut zu leben ist. Wenn ich mal betrachte, dass ich täglich durchschnittlich 9,- EUR für die Übernachtungen aufgewendet habe und 3-4 EUR für Trinkwasser, Kosten die der Harzer in Deutschland nicht hat, weil diese separat und zusätzlich bezahlt werden), standen mir für Lebensmittel am Ende nur 12,- täglich zur Verfügung. Dazu wäre noch zu berücksichtigen, dass ich diese Lebensmittel oft an Kiosken und Bars und in kleinen Supermärkten erworben habe, zu Preisen, die 20-30% über einem normalen REWE liegen dürften und vermutlich noch mehr über Lidl und Aldi. Insoweit wären also 8-9 EUR täglich völlig ausreichend, Bier und Wein incl.! Bei 30 Tagen im Monat sind das weniger als 300,-, womit dem Harzer noch 100,- EUR bleiben für gelegendlich einfache Klamotten und Hausrat zu kaufen und auch noch ein paar zig EUR zu sparen für Urlaub oder was auch immer. Klar ist es langfristig teurer, einfache Sachen zu kaufen, weil diese öffter ersetzt werden müssen, aber der Grundgedanke von HARZ IV ist ja auch nicht langfristig. Langfrsitig soll er ja arbeiten gehen und sich dann auch bessere Dinge leisten können, der Harzer. Also kein Mitleid sondern Aufklärung. Und haut den Musikern und Bettlern in der Öffentlichkeit Ihre Pappbecher und Hüte um die Ohren. Sie stören das Gesamtbild und können statt diese Gewerbes an der Steuer vorbei lieber einen richtigen Job annehmen oder ins Ausland verschwinden, wenn es ihnen bei uns nicht gefällt. Klare Kante und Null-Verständnis sind hier angesagt. Das hat nichts mit Menschlichkeit zu tun. Das ist Business.

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Wie bringe ich einen Amerikaner zum Schweigen/Nachdenken?
Das ist einfach. Kurze Diskussion über Menschrechte, Freiheit Gleichheit und so weiter anzetteln. Dann einen Schwenk nach Deutschland und dass die Deutschen ja für alles DIN und Gesezte haben und dann zum Bier überleiten und prosten. Bis hierhin hat man ein lockeres Gespräch und die Sympatie auf seiner Seite. Dann der Hinweis auf das Deutsche Reinheitsgebot, das damit zusammenhängende Gesetz und die über 500 Jahre unveränderte Tration ohne Klagen. Abschließend reicht dann der kurze Hinweis, dass der Amerikaner das vermutlich nicht nachvollziehen kann, weil dessen Gesamtgeschichte gerade einmal die Hälfte der Reichweite unseres Reinheitsgebotes hat. Sorgt für lange Gesichter und Nachdenklichkeit bei den sonst schonmal überschwänglich wirkenden Amis. Kleiner Schwank aus einem abendlichen Gespräch in lockerer Runde mit einem Texaner und zwei Damen aus Colorado.


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Es ist jetzt 21:22 Uhr und ich habe tatsächlich den ganzen Tag am Tisch gesessen und geschrieben. Kann es selber nicht glauben. Habe jetzt die zweite Flasche Wein auf und bin bereit für tiefgreifende philosophische Höchstleistungen. Aber der Bauch ist voll mit Nudeln und Bolog. 

Gehe daher gleich ins Bett. Morgen wird ein sehr langer Tag, weil es wohl mit Schlafen nichts wird. Werde vermutlich am Flughafen sitzen und warten. 
Es geht Heim!










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