Warum Jakobsweg?

Ja warum eigentlich?
Gute Frage!

Genau genommen habe ich immer schon davon geträumt, einmal auf Reisen zugehen und etwas von der Welt zu sehen. Also nicht Urlaub im klassichen Sinne und als Tourist Sehenswürdigkeiten besichtigen und fotografieren, auf Schiffen umhershippern oder am Strand rumliegen. Gerne hätte ich ein Handwerk erlernt und wäre auf die Walz gegangen. Mal hier mal da mal dort als Gleicher unter Gleichen und mit anpacken. Für eine Weile jedefalls. Das hatte sich aber nicht ergeben. Nach dem Tod des Herrn Wüstenhagen kam im Rahmen der Gründung der WWS (Werbeanlagen Wartungs & Service GmbH) mit meinem damaligen zeitweisen Spannmann Rainer erneut der Gedanke auf. Ted´s rollenender Wartungsservice sollte es heißen und wir wollten an Flüssen wie der Mosel entlang gelegentlich eine Woche entlangreisen und für Kost und Logie den anliegenden Wirten die Außenwerbung aufpolieren. Das blieb jedoch ein Traum. Insgesamt hat es die wirtschaftlich durchaus erfreuliche Entwicklung meiner Unternehmen nicht zugelassen, derartige Ausflüge zu unternehmen. 2010 wurde ich dann sesshaft mit Anja. Wir kamen gut zurecht und wollten den weiteren Lebensweg gemeinsam gehen. So kauften wir ein Haus mitten in Haan mit einem großen Garten. Genauer eine Ruine mit verwildertem Grundstück und einem Miethaus in nicht besserem Zustand, mit der Option ein Paradies daraus zu schaffen, was wir auch taten. Anja war zwar nicht die auserwählte, aber sie hat mich auserwählt und sie war gut für mich. Sie ließ mich mein Leben leben, nahm daran teil und hatte Spaß dabei. Sie liebte mich und wäre bis ans Ende meiner Tage bei mir geblieben. Alleine dafür gebührt ihr Dank und Respekt ein Leben lang. Wir hatten eine gute Zeit. Aus rein egoistischen Motiven heraus nutzte ich Ende 2016 die Chance, mit meiner langjährigen Kollegin ein Verhältnis, wenn auch nicht im klassischen Sinne, einzugehen. Nach einer kurzen und ereignisreichen Phase trennte ich mich von Anja am 22.1.17 nach knapp zehn gemeinsamen Jahren und nur fünf Ehejahren und zerstörte so ohne Vorwarnung ihr Leben. Dafür wurde ich dann nach einem turbulenten halben Jahr entsprechend bestraft. Nur sechs Wochen, nachdem Sandra mit den Kindern in nunmehr nur noch meinem Paradies eingezogen war, kündigte Sie an, wieder auszuziehen. Das war es also. Die Wochen vergingen und im September war ich allein. Anjas Traum und ihre heile Welt hatte ich zerstört und selber keinen Nutzen mehr davon. Das war sicher eine gerechte Strafe, die mich bis ans Lebensende begleiten wird. Vergebung wird dafür sicher nicht zu erwarten sein.

In der Firma war viel zu tun und so blieb auch keine Zeit für privaten Kram. Zu Hause war eh keiner mehr außer gelegendlich am Wochenende. Ich zog mich zurück und vermied jeden privaten Kontakt nach draußen. Schließlich wollte ich über diese Niederlage mit niemanden sprechen und fröhlich tun wollte ich auch nicht. Ich wartete nun ab, bis sich Sandras Liebe zu mir, die offenbar nicht mehr so innig war wie zu Beginn, nun weiter abkühlt und zum Erliegen kommt. Eine Familie werden wir mit zwei getrennten Wohnsitzen eh nicht mehr. Die Kinder, mit denen es meines Erachtens sehr gute Fortschritte gab und die sich an mich gewöhnten, sehe ich nur alle paar Wochenenden. Dren Zimmer sind öd und leer. Das war es also. Anja reichte derweilen die Scheidung ein. Ende also in jeder Hinsicht. Ich werde wieder alleine sein. Also galt es nun, aus dem Schaden einen Nutzen zu ziehen und positiv nach vorne zu gucken.

Die Situation zwischen Sandras Kindern und deren Vater verschlechterte sich im Winter und im Frühjahr 2018 so sehr, dass die Kinder ihren Vater nicht mehr besuchen wollten. So waren sie wieder öffter bei mir. Und aus der Durchhaltphase wurde wieder ein bisschen mehr Familienleben. Als ich jedoch in der Adventszeit 2017 alleine zu Hause saß, hatte ich entschieden die Sache auslaufen zu lassen. Aktiv Schluß machen wollte ich nicht, weil ich mir das Ende nach nichteinmal einem Jahr und die Sinnlosigkeit der Zerstörung meiner grundsätzlich guten Ehe nicht eingestehen wollte. Wir sahen uns kaum und Sandra würde über kurz oder lang schon ablieben und Schluß machen, vermutlich auch kündigen. Schließlich hat sie auch genug eigenen Kram am Hals. Also entschied ich mich, eine längere Reise zu unterhemen und mir eine Auszeit zu gönnen um danach entscheiden zu können, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte. Vielleicht träfe es sich unterwegs auch gut an und ich fände ein Mädchen oder eine Baustelle oder beides. Dann würde ich einfach noch mal neu anfangen, ggf. auch in der Ferne.

Irgendwie war ich der Meinung, der Jakobsweg, von dem ich schon viel gehört hatte und der grundsätzlich zu meinen Gedanken passen könnte, verliefe hauptsächlich durch Frankreich. Und Frankreich kann ich nicht leiden. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht wegen der Sprache, die klingt als würde man einen Hund foltern. Vielleicht wegen der Erfahrungen aus einem Klassenausflug. Vielleicht auch einfach nur so. Als ich zusammen mit Johannes und sehr viel Weiswein mein Weihnachtsgeschenk im Wohnzimmer einweihte, den beheizten Whirlpool, konkretisierte sich die Idee, zumal Johannes Recht damit behielt, dass der Jakobsweg im wesentlichen durch Spanien verläuft. Beschlossen und verkündet. Ein Termin war schnell gefunden. Die Baustele Alleestr. 39 musste fertig und einige Wochen danach das Büro in Schuss gebracht werden. Schließlich war nicht klar wann und ob ich wieder kommen werde. Ende Mai schien ein guter Termin. Nach den Osterferien und vor den Sommerferien und genügend Zeit für die Vorbereitungen.

Anfangs kommunizierte ich die Idee eher verhalten. War das doch eine große Sache mit erheblichen körperlichen Anstrengungen. Wer würde sich um meine Tiere kümmern? Keiner in Sicht der auch nur ansatzweise in Frage käme oder zuverlässig genug wäre, das mindestens sechs Wochen lang zu übernehmen. Was wird aus der Firma? Noch nie war ich länger als 10 Tage von zu Hause weg! Und selbst dann hatte noch Plan A, B und C, ein Laptop mit Arbeit und ein Handy dabei. Das alles sollte es diesmal nicht geben. In Claudia fand ich eine tüchtige und zuverlässige Freundin, die sich um die Tiere kümmern wird. Sie kommt schon seit vielen Wochen jeden Samstag und arbeitet zur Probe und ich gaube, sie hat sogar ein bisschen Spaß dabei.

Ich sammelte nun Informationen über den Jakobsweg und seine Facetten. Wägte die Inhalte von Erzählungen und Berichten ab. Ich entschied mich für den Camino Frances jedoch mit Start in Frankreich in Saint Jean Pied de Port. Dorthin soll es mit dem Zug ungeplant ab Köln gehen. Abfahrt um den 25.5.18 herum. Erster Tag des Wanderns sollte der 28.5.18 sein. Rückkehr ungewiss.

Mit Beginn der Fastenzeit begann ich täglich ein paar Übungen zu machen. Situps, Liegestütze, Kniebeugen, Latziehen, Seitstütze und Hanteln. Nach Ostern dann nur noch 2-3 Mal in der Woche. An den letzten sechs Wochenenden vor Beginn meiner Tour, Begann ich mit Übungsspaziergängen mit einem alten Rücksack mit Pflastersteinen beschwert:

Haan - Opladen 1 an Karfreitag
Haan - Opladen 2
Haan - Opladen 3
Opladen - Köln
Haan - Leverkusen Calevornia
Haan - Leverkusen Chinesische Mauer

Dann noch ein Ausruhwochende mit Johannes in Oberwesel, was auch schon Weihnachten gebucht wurde. Und dann ging es tatsächlich los. Allen Umständen zum Trotz stieg ich in den Zug und reiste ab. Bis zur Ankunft in Paris konnte ich es immer noch nicht fassen. Und jetzt bin ich auf dem Weg meines Lebens!